„Stell dich nicht so an, ich hab auch oft Kopfschmerzen", das ist nur eine von vielen bizarren Bemerkungen, denen Menschen mit Migräne nicht selten gegenüberstehen. Was soll man dazu sagen? Wie soll man reagieren? Wir nehmen häufige Mythen zur Migräne unter die Lupe und stellen sie Fakten gegenüber.
Migräne ist eine schwere Erkrankung, die nach außen jedoch nicht sichtbar ist. Viele Betroffene können sich bei einer Attacke nur noch zurückziehen und das Umfeld bekommt von den starken Schmerzen und Beeinträchtigungen nichts mit. Was das Umfeld erlebt, ist also nicht der Leidensdruck des Migränepatienten, sondern die Abwesenheit des Menschen. Wer dann nicht versteht, warum Betroffene Verabredungen kurzfristig absagen müssen oder Aufgaben nicht erledigen können, kann leicht voreilige Schlüsse ziehen.
Menschen mit Migräne haben deshalb oft nicht nur mit ihren Kopfschmerzen zu kämpfen, sondern auch mit dem Unverständnis ihrer Mitmenschen. Das belastet zusätzlich und Betroffene ziehen sich immer weiter von einer Gesellschaft zurück, die sie eigentlich unterstützen sollte.
Das wurde in einer repräsentativen Umfrage in den USA erhoben. 1 Dabei wurden 2.000 Menschen ohne Migräne elf Fragen gestellt. Unter anderem sollten sie angeben, wie oft Migränepatienten ihrer Meinung nach ihre Leiden dramatisieren oder sich beruflichen bzw. privaten Verpflichtungen entziehen.
Am häufigsten (45,4%) waren die Teilnehmer der Überzeugung, dass Migränepatienten „ihre Migräne leicht behandeln können“. Fast 40 Prozent glaubten, dass Betroffene „ihre Migräne verstecken“ und mehr als ein Drittel dachte, dass sie „einen ungesunden Lebensstil pflegen“ und damit in gewisser Weise selbst für ihr Leiden verantwortlich sind. Je mehr Menschen mit Migräne die Befragten kannten, desto öfter gaben sie an, dass diese Behauptungen zuträfen.
Diese Ergebnisse zeigen, dass Aufklärung notwendig ist, damit nichtbetroffene Menschen die belastenden Einschränkungen verstehen, die Migräne-Patienten erleben.
Infobox: Verquere Vorstellungen zu Migräne gibt es schon seit Langem „Nach dem Mittagessen kriegte Frau Direktor Pogge Migräne. Migräne sind Kopfschmerzen, auch wenn man gar keine hat." Das ist ein Zitat aus Pünktchen und Anton von Erich Kästner. Ein Kinderbuch, das 1931 zum ersten Mal veröffentlicht wurde, und seither in vielen Kinderzimmern zu finden ist. |
Zunächst gilt: Sie müssen nicht über Ihre Migräne sprechen, wenn Sie das nicht wollen. Es kann jedoch eine Befreiung für Sie und Ihr Umfeld sein, wenn Sie offen mit Ihrer Erkrankung umgehen. Außerdem tragen Sie so dazu bei, Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Freunde oder Kollegen, die über die Krankheit aufgeklärt sind, können Ihre Situation wahrscheinlich besser verstehen und Sie eventuell sogar unterstützen.
Ganz nach dem Motto „Nicht jeder muss alles wissen" reicht es manchmal, eine Freundin oder einen Kollegen ins Vertrauen zu ziehen. Wenn Sie eine Person in Ihrem Umfeld haben, die Sie versteht und mit der Sie sich austauschen können, kann das Ihren Alltag schon erleichtern. Falls Sie Ihre Erkrankung thematisieren, sollten Sie versuchen, die Migräne und ihre Symptome verständlich und sachlich zu erklären. Sprechen Sie auch offen über das Thema Leistungsfähigkeit und Einschränkungen. Je besser Ihre Mitmenschen Ihre Situation verstehen, umso leichter können Sie diese akzeptieren und damit umgehen.
Leider reagieren nicht alle Menschen, mit denen Sie über die Migräne sprechen, mit Verständnis. Ein Patentrezept, was Sie in schwierigen Situationen tun können, gibt es nicht. Wichtig ist, Kritik und Missgunst nicht zu sehr an sich ranzulassen.
Denken Sie daran, dass Sie sich für Ihre Migräne nicht rechtfertigen müssen.
Özgör L. Schmerzmed 2019; 35(5): 11.
Neurologen und Psychiater im Netz. Akute Migräne-Therapie, www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/migraene/akut-therapie/, Datum des letzten Abrufs: 24.06.2021.
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Neurologen und Psychiater im Netz. Was ist Migräne?, www.neurologen-und-psychiater-im-netz.org/neurologie/erkrankungen/migraene/was-ist-migraene/, Datum des letzten Abrufs: 24.06.2021.